Artikel ohne Wertung und Haftung aus procontra- online vom Joachim Haid:
Aktuell wird darüber diskutiert, ob die Riester-Rente nicht schon allein auf Grund der Bruttobeitragsgarantie nicht zu teuer ist. Schließlich muss der Anbieter zum Rentenbeginn sicherstellen, dass mindestens die bis dahin eingezahlten Beiträge und Zulagen zur Verfügung stehen. Im Rahmen einer Veranstaltung zur Initiative pro Riester (www.proriester.de) habe ich hierzu Walter Riester am 20.01.2016 in Heidelberg interviewt. Ich wollte von ihm wissen, ob diese Bruttobeitragsgarantie noch zeitgemäß ist und ob es nicht sinnvoller wäre, eine flexible Beitragsgarantie, in der Höhe dem Absicherungswunsch des Kunden entsprechend, zu ermöglichen.
Hierzu führte Herr Riester aus, dass er auch in der aktuellen Phase diese gesetzliche Regelung für sehr wichtig hält. Die Garantie ist bereits in der aktuellen Ausgestaltung sehr flexibel, da sie nicht dauerhaft vorhanden ist, sondern eben zum Rentenbeginn ihre Wirkung zeigt. Kündigt der Kunde z.B. vorher seinen Riester-Vertrag, verfällt die Garantie. Ein langfristiges Produkt, welches teilweise über Jahrzehnte läuft, wird immer wieder einmal Phasen niedriger Zinsen erleben und diese auch überstehen, ohne großen Schaden zu erleiden. Es wird aber auch wieder Zeiten steigender Zinsen geben. So lange aber die Menschen in dem hohen Maße wie aktuell Angst haben, ihr Kapital verlieren zu können, ist es außerordentlich wichtig, ihnen sagen zu können, dass ein Kapitalverlust ausgeschlossen ist, außer man kündigt vor Rentenbeginn, so Riester weiter.
Sparer sollten selbst entscheiden.
Persönlich würde ich es bevorzugen, wenn der Sparer entsprechend seinem Risikoprofil selbst entscheiden könnte, welches Absicherungsniveau er wünscht. Hierzu können dem Gesetzgeber gegenüber Anregungen gemacht werden. Dem Verbraucher von der Riester-Rente pauschal abzuraten, solange dieser Punkt nicht erfüllt ist, halte ich für einen großen Fehler.
Man muss aber auch anerkennen, dass durch die aktuelle gesetzliche Regelung kein Sparer zum Rentenbeginn, trotz mehrerer Finanzkrisen bisher, Geld verloren haben wird. Schließlich wurde die Riester-Rente nicht nur eingeführt, um die seit 1957 etwa verdoppelte Rentenbezugszeit, bei gleichzeitig gestiegenen Anforderungen der Rentner im Alter, mit finanzieren zu können, sondern auch, um die Auswirkungen der damaligen Rentenreform durch private, staatlich geförderte Altersvorsorge ausgleichen zu können.
Nicht pauschal von Riester-Renten abraten
Berücksichtigt man die Zulagen- und in vielen Fällen die zusätzliche steuerliche Förderung, so gibt es eine Vielzahl von Fällen, in denen sich die Riester-Rente selbst rein unter Betrachtung des Verhältnisses von selbst eingezahlten Beiträgen und dem bei Rentenbeginn vorhandenen Garantiekapital rechnet. Der Kunde sollte durch den Berater/Vermittler objektiv zu den Vorteilen und der Funktionsweise der Riester-Rente informiert werden. Dazu gehören natürlich auch die „Spielregeln“, die in den Medien gerne pauschal als Nachteil dargestellt werden. Anschließend kann der Kunde selbst entscheiden, ob er die Riester-Rente als einen Baustein seiner Altersvorsorgeplanung nutzen möchte, oder nicht. Von der Riester-Rente pauschal abzuraten, halte ich für einen klaren Beratungsfehler, für den der Vermittler haftbar zu machen ist.
Rechenbeispiele ohne Wertentwicklung
In den folgenden zwei Rechen-Beispielen habe ich ganz bewusst eine Wertentwicklung außen vor gelassen. Betrachtet werden also Worst-Case-Fälle, die das Greifen der Bruttobeitragsgarantie bei Riester veranschaulichen sollen. Vorteil: Es kann niemand kritisieren, dass eine angenommene Wertentwicklung von x% zu hoch sei. Auch Diskussionen über unterschiedliche Riester-Produktkosten entfallen. Denn laut Gesetzgeber müssen bei Rentenbeginn die eingezahlten Riester-Beiträge und die Zulagen zur Verfügung stehen, egal wie hoch die Kosten waren, egal, wie die Wertentwicklung war, selbst wenn diese negativ wäre.
Beispiel 1, Single, 35 Jahre alt, Jahresbruttoeinkommen € 40.000.-, keine Kinder, Rentenbeginn mit 67
Bei diesem Beispiel wird unterstellt, dass sich das Einkommen die nächsten 32 Jahre weder erhöht, noch verringert. Je näher das Einkommen dem maximalen Brutto kommt, aus dem sich aktuell der maximale Riester-Beitrag errechnet (€ 52.000.- X 4% = € 2.100.- Jahresbeitrag inkl. Zulagen), desto höher würde der Steuervorteil und damit die prozentuale Förderung.
Garantie-Guthaben zum Rentenbeginn | 51.200,00 € |
./.Riester-Zulagen (€ 154,- X 32) | 4.928,00 € |
./. Steuervorteile | 12.492,16 € |
Eigenleistung des Kunden | 33.779,84 € |
Natürlich basiert die Berechnung des Steuervorteils auf der heutigen Steuergesetzgebung. Ich habe keine Glaskugel und kann nicht sagen, wie sich die Steuersätze in den nächsten 32 Jahren entwickeln. Hochrechnungen kann man immer nur basierend auf der aktuellen Gesetzgebung machen. Das gilt aber natürlich für alle Produkte, mit denen man die Riester-Rente gegenüberstellen könnte.
Zusammenfassung:
Bei Rentenbeginn sind garantiert € 51.200,00 Guthaben vorhanden. Davon hat der Sparer selbst lediglich € 33.779,84 bezahlt, die Differenz in Höhe von € 17.420,16 sind staatliche Förderungen in Form von Zulagen und Steuervorteilen. Das entspricht einer Förderung in Höhe von 34,02% im Verhältnis zum Garantieguthaben.
Über die Vertragslaufzeit erhält dieser Riester-Sparer eine Rendite von 51,57%, was einer mittleren Jahresrendite von 1,61% entspricht. Wie gesagt: im Worst-Case-Fall, also bei 0% Wertentwicklung und nach allen Kosten!
Selbst diese extreme Worst-Case-Betrachung liefert also eine bessere Rendite, als aktuell Tagesgeldkonten.
Hinzu kommt, dass der Sparer bei Rentenbeginn 30 Prozent förderunschädlich kapitalisieren könnte. Vor Steuern wären das, wieder unter der Annahme, es hätte keine Wertentwicklung gegeben, € 15.360.- Unterstellen wir in dem Jahr, in dem diese Kapitalisierung als Rentner stattfindet z.B. einen Grenzsteuersatz von 30% und rechnen diesen, grob vereinfacht, auf diese € 15.360.-, blieben netto € 10.752.- übrig.
Setzen wir diesen Betrag ins Verhältnis zu seinen selbst eingezahlten Beiträgen in Höhe von € 33.779,84 entspricht dies einem knappen Drittel. Das bedeutet, der Kunde hätte bei Rentenbeginn über die Kapitalisierungsmöglichkeit bereits ca. 1/3 seiner selbst eingezahlten Beiträge zurück.
Beispiel 2: Mutter alleinerziehend, ledig, 30 Jahre, 2 Kinder (geboren 2011 und 2013), Jahresbruttoeinkommen: € 9.000.-, Rentenbeginn mit 67
Bei diesem Beispiel müsste man berücksichtigen, dass die jährliche Kinderzulage in Höhe von insgesamt € 600.- spätestens dann wegfällt, wenn die Kinder das 25. Lebensjahr erreichen. Fallen die Kinderzulagen weg, würde sich der Eigenbeitrag der Mutter entsprechend erhöhen. Unterstellten wir den unrealistischen Fall, dass die Mutter dann immer noch € 9.000.- Brutto verdienen würde, ergäbe sich ein monatlicher Eigenbeitrag in Höhe von 4% X € 9.000.- abzüglich € 154.- Grundzulage der Mutter /12 = € 17,17 im Monat, aktuell zahlt sie den Sockelbeitrag in Höhe von € 5.- im Monat.
Es ist aber auf der anderen Seite auch unwahrscheinlich, dass die Mutter während die Kinder älter werden, nicht mehr Einkommen erhält. Irgendeine Annahme muss ich treffen, um eine Berechnung für eine alleinerziehende Frau darstellen zu können, deshalb habe ich folgendes gemacht:
Einkommen bis zum Rentenbeginn unverändert gelassen, was wohl auch wieder eher ein Worst-Case ist. Die Kinderzulagen fallen mit Erreichen des 25. Lebensjahres der Kinder weg, also einmal im Jahr 2036 und einmal im Jahr 2038.
- 2016 bis 2036 (20 Jahre): Eigenleistung im Jahr = € 60.-, gesamt: € 1.200,00
Zulagen pro Jahr: € 754.-, gesamt: € 9.048,00 - 2037 bis 2038 (2 Jahre): Eigenleistung im Jahr: € 60.-, gesamt: € 120,00
Zulagen pro Jahr: € 454.-, gesamt: € 908,00 - 2039 bis 2053 (14 Jahre): Eigenleistung im Jahr: 206.- (€ 9.000.- X 4% abzgl. € 154.- Zulage), gesamt: € 2.884,00
Zulagen pro Jahr: € 154.-, gesamt: € 2.156,00
Zusammenfassung:
Gesamte Eigenleistungen bis Rentenbeginn | 4.204,00 € |
Gesamte Zulagenförderungen bis Rentenbeginn | 12.112,00 € |
Garantiekapital | 16.316,00 € |
Das ist etwa viermal so viel Guthaben im Worst-Case-Fall, als von der Frau selbst eingezahlt wurde!
Nimmt man die Berechungen von Heydorn (http://www.n-heydorn.de/riesterrendite.html) zur Hilfe, ergeben sich etwas andere Werte, da hier die Kinderzulage mit 20 entfällt ( „Beiträge und Kosten anzeigen“ anklicken):
- Garantiekapital zu Rentenbeginn: € 20.892,00
- Eigenleistung: €4.994,00
- Riester-Zulagen: € 15.898,00
Über die Vertragslaufzeit ergibt sich damit eine Rendite von 318,34 Prozent und eine mittlere Jahresrendite von 8,60 Prozent (im Worst-Case-Fall!). Auch hier hat die Frau zum Rentenbeginn etwa 4 mal so viel Garantieguthaben, als sie selbst eingezahlt hat.
Damit haben wir zwei typische Fälle betrachtet, den Single ohne Kinder, der etwas besser verdient (ein Topverdiener ist er mit € 40.000.- Jahresbrutto auch nicht, das ist fast deutschlandweites Durchschnittsbrutto, bzw. nur leicht darüber) und den zweiten Fall einer alleinerziehenden Frau, die nur sehr wenig Einkommen hat. Das alles rein im Worst-Case-Szenario betrachtet.
Artikel vom 01.02.2016 aus procontra- online/ Autor Joachim Heid